Interprofessionelle Ausbildung im Universitätsspital Basel – ein Erfahrungsbericht

Interprofessionelle Zusammenarbeit im Spitalsetting

Die Auswirkungen der interprofessionellen Zusammenarbeit im Spitalsetting auf das Outcome und die Erfahrungen der Pflegeempfänger*innen können nicht überschätzt werden  (Foronda et al., 2016). So arbeiten Ärztinnen und Ärzte, Pflegende, Therapeutinnen und Therapeuten, Beschäftigte der Hotellerie, die Mitarbeitenden im Sekretariat und dem Case Management sowie viele andere mehr tagtäglich eng zusammen. Zum Beispiel auch, wenn es um die Organisation von Ein-, Aus- und Übertritten geht. Weitere wichtige Stellen der interprofessionellen Zusammenarbeit sind die täglichen Visiten, aber auch der Austausch mit anderen therapeutischen Diensten wie Physio-, Logo-, Ergotherapie im Verlauf des Tages. Wie wichtig eine gelungene interprofessionelle Zusammenarbeit und Kommunikation ist, zeigt sich sehr schnell, wenn diese nicht funktioniert. Sei es bei der Organisation von Transporten zu diagnostischen Terminen, bei Terminkollisionen oder auch generell, wenn der Behandlungspfad nicht optimal geplant und durchgeführt werden kann.

Der hohe Stellenwert der interprofessionellen Kommunikation zeigt sich im Lehrplan für die Ausbildung diplomierter Pflegefachpersonen, wo sie als eigener Arbeitsprozess innerhalb des Hauptprozesses Kommunikation aufgeführt wird (OdASante, 2021, Kapitel 3.3).

Hintergrund interprofessionelle Ausbildungsstation (IPA)
Im Rahmen eines Pilotprojektes führte das Universitätsspital Basel auf einer Abteilung der inneren Medizin gemeinsam mit der medizinischen Fakultät der Universität die praktische Umsetzung, die professionelle Begleitung und die Evaluation einer interprofessionellen Ausbildungsstation (IPA) für verschiedene Berufsgruppen durch. Der Fokus lag primär auf dem Lernprozess der Auszubildenden. Beteiligt waren drei Pflegestudierende der BFH, ein Pflegestudierender des BzG, zwei Medizinstudierende und eine Physiotherapiestudierende der BFH. Für deren Supervision waren mehrere Berufsbildner*innen der unterschiedlichen Fachdisziplinen und zwei Oberärztinnen verantwortlich. Im Hintergrund involviert war eine interprofessionelle Projektgruppe, zusammengesetzt aus unterschiedlichen Führungs- und Fachebenen des Universitätsspitals und der Medizinischen Fakultät. Ein Medizinstudent begleitete das Projekt für die Evaluation. Insgesamt wurde also eine erhebliche Personalinvestition aufgewendet.

Spitalalltag, Symbolbild Shutterstock
Bild: Spitalalltag, Symbolbild Shutterstock

Durchführung IPA – Praktische Erfahrungen

Die IPA dauerte vier Wochen. Während dieser Zeit wurden auf einer Abteilung der Medizin zwei Zimmer mit jeweils vier Pflegeempfänger*innen durch das interprofessionelle Auszubildendenteam betreut. Das Team arbeitete in wöchentlich wechselnden Konstellationen zusammen.

Vorbereitend wurden durch die Projektgruppe ein Handbuch für den gesamten Ablauf mit Tagesplan, weiteren Informationsblättern sowie wichtigen Telefonnummern – z.B. für die eigens für die IPA beschafften Telefone – erstellt. Die Informationsblätter beinhalteten beispielsweise Kurzfassungen über Kommunikationsmodelle und Rapportschemata und dienten den Beteiligten als Hilfsmittel. Die Vorarbeiten erwiesen sich als hilfreich, abgesehen vom Tagesablauf. Dieser wurde bereits am ersten Tag in der Reflexionszeit durch die Studierenden optimiert und am zweiten Tag entsprechend umgesetzt. Diese 45-minütigen, schriftlichen und mündlichen Reflexionen seitens der Studierenden fanden täglich statt.

Anschliessend kam jeweils mindestens ein*e Betreuer*in jeder Berufsgruppe hinzu, sodass auch hier aus der Sicht der Berufsbildner*innen Feedbacks an einzelne Studierende, einzelne Teams und/oder alle gegeben werden konnte. Dermassen zeitaufwendige, intensive und konstruktive Reflexionen durfte ich während meiner bisherigen beruflichen Laufbahn erstmals erfahren. Laut Aussagen meiner Mitstudierenden erging es ihnen ähnlich.

Aufgrund dieser gründlichen interprofessionellen Reflexionen konnten noch nicht optimale Prozesse im Tagesablauf identifiziert und unmittelbar am nächsten Tag oder zeitnah verändert werden.

Nicht selten mussten wegen der unterschiedlichen individuellen Tagesabläufe, aber auch durch die vorgegebenen Rahmenbedingungen wie Rapporte, Arbeitszeiten und Dienstwege, Kompromisse gefunden werden. Die Kompromisse konnten jedoch – bei der für alle Teilnehmenden transparenten Entscheidungsfindung – stets von allen nachvollzogen und mitgetragen werden. Es entstand ein Teamgefühl, das über die Professionen hinweg wahrgenommen wurde. Gleichzeitig konnten auch berufsspezifische Problemstellungen im Team geteilt und besprochen werden.  So zum Beispiel der immense Zeitdruck der ersten Morgenrunde (Pflege), die Notwendigkeit frühestmöglicher Labordaten (ärztliche Seite), die Bereitstellung von Verordnungen (Physiotherapie) aber auch die «unmenschlichen» Überzeiten (Ärztinnen und Ärzte). Da alle Beteiligten im selben Raum zusammenarbeiteten,

wurde das Bewusstsein für die Arbeitsabläufe und die unterschiedlichen Prioritäten der verschiedenen Professionen geschärft und die Kommunikation fand auf kürzestem Weg und auf Augenhöhe statt, wovon die Patienten sehr profitierten.  Als weitere Besonderheit erlebte ich die gemeinsamen Visiten. Sie rotierten täglich mit wechselnder Leitung durch alle Professionen. Die Übernahme der Leitung der Visite durch alle Berufsgruppen förderte ein besseres Verständnis und das interprofessionelle Auseinandersetzen mit den Behandlungen der Pflegeempfänger*innen. Die Rotation stiess bei allen Beteiligten auf Zustimmung.

Fazit und Ausblick

Durch Visiten in der oben beschriebenen Art und Weise konnte das Gefühl eines gleichberechtigten Teams gefördert werden. Das führte zu einer hohen Arbeitsmotivation und zu effizienteren Kommunikationswegen zwischen allen Professionen.

Die Beteiligten der IPA vermuten eine verkürzte Liegezeit der Patientinnen und Patienten. Lohnend wäre zu untersuchen, ob diese Vermutung zutrifft, eindeutig auf die IPA zurückzuführen ist und sie sich objektiv nachweisen lässt.

Die genannten und weitere positive Effekte werden auf der SGAIM 2024 Ende Mai in der Masterarbeit des Medizinstudierenden publiziert. Eine Fortsetzung der IPA im Herbst 2024 ist bereits in Planung, ebenso ein Beitrag zur careArt basel.24.

Danksagung 
Wir bedanken uns bei der Ko-Projektleitung Dr. Jördis Tielsch vom Universitätsspital Basel für das sorgfältige Gegenlesen dieses Textes sowie ihre wertvollen Anmerkungen und Korrekturvorschläge. Ebenso geht unser Dank an die Berufsbildungsverantwortlichen, die mit Rat und Tat zur Seite standen und die Veröffentlichung genehmigten.

Literatur
Foronda, C., MacWilliams, B. & McArthur, E. (2016). Interprofessional communication in healthcare: An integrative review. Nurse Education in Practice, 19, 36–40. https://doi.org/10.1016/j.nepr.2016.04.005

OdASante. (2021). Rahmenlehrplan für Bildungsgänge der höheren Fachschulen «Pflege» mit dem geschützten Titel «dipl. Pflegefachfrau HF» «dipl. Pflegefachmann HF». https://www.sbfi.admin.ch

Zum Vertiefen (Nachtrag der Redaktion)
Druskat, J., Heinz, A., & Blümke, C. (2024). Interprofessionelle Lehre – ein Selbstläufer im Kontext von interprofessioneller Zusammenarbeit? Pädagogik der Gesundheitsberufe, 11(1–2024), 39–48. https://doi.org/10.3936/0044

Autor

Sandro Amacker
bis März 2024 Studierender Bildungsgang Pflege HF

Kontakt

Dr. Heike Scheidhauer
Fachstelle Kommunikation & Schreibberatung
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